gaddafi rockt (2005)

von Oliver Czeslik

BESETZUNG 

Werner Mittgross........................................Daniel Rohr

Musiker........................................................Jörg Köppl 

 

Musik / Sounddesign...................................Jörg Köppl

Technik........................................................Sam Schönenberger

Regie............................................................Pascal Ulli

Produktion....................................................Pascal Ulli

 

Eine Koproduktion von sogar theater und INDEPENDENT THEATER PRODUKTIONEN

 

Aufführungsrechte beim Fischer Verlag, Frankfurt

 

Uraufführung: 16. Februar 2005 im sogar theater in Zürich

 

 

PRESSESTIMMEN ZU GADDAFI ROCKT

Daniele Muscionico, Neue Zürcher Zeitung, 18.02.2005: Sprengstoff-Theater «Ghadhafi rockt» mit Daniel Rohr 

„ ...  Nirgendwo gibt es mehr Geschichten als in der offenen Anstalt unserer Wirklichkeit. Dieses Drama hat sich tatsächlich ereignet, im Moskauer Musical-Theater «Nord-Ost»; die Vorlage dazu verfasste der deutsche Autor Oliver Czeslik, zwei Jahre vor der Tragödie. Die Realität hielt sich schrecklich genau an den schrecklichen Plot: In einem Theater droht ein Terrorist damit, das Publikum und sich selber mit TNT in die Luft zu sprengen. Czesliks visionärer Monolog heisst «Ghadhafi rockt», und wir haben fünf Jahre nach seiner Entstehung das Glück, mit ihm Bekanntschaft zu machen. Zufällig ein Jihad-Kämpfer. Der Schauspieler und Regisseur Pascal Ulli inszeniert die Schweizer Erstaufführung im Sogar Theater mit Daniel Rohr, der Performer Jörg Köppl liefert die untergründige Musik. «Ghadhafi rockt» ein Mann, ein

Mädchenlachen und eine Megaphonstimme ist inhaltlich eine Selbstbefragung, die ins Nichts läuft, und formal eine Endlosschlaufe, ein sprachlicher Katarakt. Der Regisseur verlegt ihn in die Innenwelt des Täters: als Musikstar, Motivationstrainer, Erlöser, Guru, Fernsehprediger oder, es mag nur ein Zufall sein, als Jihad-Kämpfer. Mit der Beschreibung der Symptome müsste nun jede glaubwürdige Kritik zu Ende sein. Denn was auf der Bühne geschieht, ist so wenig objektivierbar, wie der Verlauf einer Trance sich in Worte fassen lässt. Daniel Rohr ist pure Emotion, der Text ist reine Musik Todesmusik, mit Texten von «The Doors» etwa: «This is the end …» Angst, Angst, Angst. Gegen sie schreit Rohr an, singt er an, spielt er an, in den Rollen eines Muslims, eines Märtyrers, eines Mörders. Dessen Ohnmacht auf der anderen Seite des Spiegels: Allmacht - gründet in einem Identitätsverlust, der hier zweifach das Thema ist. Der Täter, der sich selbst als ein zum Islam konvertierter Gotteskrieger bezeichnet, wird am Ende genau das nicht sein; und auch die Welt, die er mit seiner Tat «ins leben schocken», mit einem «zweiten akt der schöpfung» retten will, ist nur Phantasie. Der Verbrecher als Rockstar. Pascal Ulli betont in seiner Inszenierung ein Motiv der Vorlage, das einem besonderen Talent Rohrs entspricht: Er lässt den zerbrochenen Verbrecher vorzugsweise als Rockstar auftreten. Dabei geschieht etwas, was an diesem Abend der Überraschungen vielleicht das Erwartete, doch Stärkste ist. Seine Wirkung ist am schmerzhaftesten, wenn sparsam instrumentiert wird, wenn, mit den «Nine Inch Nails», die Selbstzerstörung leis geschieht und liebend der Selbsthass: «I hurt myself today / to see if I still feel»... " 

 

Karl Wüst, Zürcher Oberländer, 18. 02. 2005: Ein Terrorist mit Tränen - «Gaddafi rockt» im Sogar Theater

" ... Der Monolog «Gaddafi rockt» von Oliver Czeslik handelt vom Fundamentalismus und der menschlichen Tragödie dahinter. Erstmals in der Schweiz spielt Daniel Rohr das anspruchsvolle Stück im Sogar Theater in

Zürich mit Bravour. Abgewetzter Ledermantel, dunkle Brille, unrasiert: So sehen Terroristen aus. «Mein Name? Kalaschnikow-Mohammed. Call me: the massaker» und die Satire ist perfekt. Werner Mittgross heisst der Mann, der da am Mikrofon mit gepresster Stimme im Habitus eines Rocksängers den gefährlichen Killer markiert. Er ist zum Islam konvertiert und hat gelernt: «Allah weiss alles, ich weiss nichts, ihr wisst nichts.» Und zum elektrischen Sound von Jörg Köppl singt Werner alias Mohammed «The End» der Doors, so gut, wie es nur der einstige Neumarkt-Schauspieler Daniel Rohr alias Frank Zappa kann. Das wirkliche Leben. Schnitt. Die Trance ist vorbei, in Werner Mittgross kommt Leben, das wirkliche Leben: Unsicherheiten, traumatische Erlebnisse, Protz und Grössenwahn, seine gescheiterte Liebe auch Susanne. Er bindet sich einen Gürtel mit TNT-Sprengsätzen um die Hüften und kündet das nahe Ende an. Was ist schöner als der Märtyrer-Tod, was hoffnungsvoller als das Paradies? Von draussen meldet sich die Polizei, fordert Mittgross dazu auf, seine Geiseln, das Publikum, freizulassen. Doch er erzählt seine Geschichte zu Ende, höhnisch, drohend, verzweifelt. Immer wieder lacht im Off seine Susanne, lacht ihn aus, ihn, der noch an Werte glaubte, die im Westen immer mehr abhanden kommen. «Gaddafi rockt mit mir über den Gräbern von Luxor», schreit der von unbekannten Hintermännern beauftragte Terrorist mit wunderbarer Ironie. Und: «Ich bin ein Monster, hinterhältig, feige, grausam.» Die zynische Selbstanklage, die Selbsterniedrigung sind Hilfeschreie eines am Boden Zerstörten, dessen Unmenschlichkeit nichts als der Ausdruck menschlichen Unglücks ist. Zum Schluss sagt Werner wiederum:

«Mein Name? Call me: the massaker», jetzt aber mit Tränen in den Augen. Sie stören nicht. Komplexe Welt. Pascal Ulli inszeniert das noch vor dem 11. September 2001 geschriebene Stück des 40-jährigen deutschen Autors Oliver Czeslik in Co-Produktion mit dem Sogar Theater. Einfach macht es einem der Autor nicht. Sprunghaft ist die Geschichte, voller Brüche und auch nicht bar jeder Unklarheit. Gleichwohl bleibt man dran dank dem Tempo der Inszenierung, dank dem starken Spiel von Daniel Rohr und dank der Einsicht, dass es doch zu einfach ist, die Welt nach Schema F in gut und böse einzuteilen. Die Premiere am Mittwoch löste zu Recht Begeisterung aus... "

  

Martin Kraft, Zürichsee Zeitungen, 18. 02. 2005: Ein Star

Zürich: Was geht in' einem Jihad-Kämpfer vor, der sich und sein Publikum in die Luft sprengen will? Der 1964 in Hamburg geborene Oliver Czeslik hat mit «gaddafi rockt» einen spannenden Monolog geschrieben. Die Situation ist leider heutezutage nicht mehr ganz unwahrscheinlich: Wir sitzen im Theater, die Ausgänge sind verriegelt, und da steht einer auf der Bühne, der sich und damit uns alle demnächst in die Luft sprengen wird. Von aussen dringen zwar Stimmen herein, die ihn zum Aufgeben auffordern; aber mit welchen

Argumenten kann man jemanden beeinflussen, der offensichtlich zum Äussersten entschlossen ist? Unheimlich ist das zwar nicht, weil eben doch nur Theater, aber spannend und schliesslich ziemlich undurchschaubar wird es schon mit der leisesten Verschiebung. Denn dieser Muslim ist offenbar

ursprünglich gar keiner, sondern ein Konvertit und das eröffnet Daniel Rohr, bis vor kurzem Mitglied des Neumarkt-Ensembles und dort gerade als Einzeldarsteller besonders profiliert vielfältig-spielerische Ausdrucks-möglichkeiten. Ja, auch wenn er in seinem sturen Fanatismus zuweilen beängstigend echt wirkt, ist eben doch alles Spiel und als solches von Pascal Ulli im sogar theater differenziert in Szene gesetzt. Die Glaubens- bekenntnisse und absolut gesetzten moralischen Grundsätze, welche die Wahnsinnstat theoretisch begründen, wirken auf einmal nur noch wie einstudiert genau so, wie die Attacken gegen westlichen Sittenzerfall also gegen Erscheinungen, die bei uns längst zum Alltag gehören vor allem

lächerlich sind. Unberechenbarkeit. Aber vielleicht bringt dieser Perspektivenwechsel tatsächlich neue Einsichten mit sich. Was diesen Muslim, der doch noch kein richtiger ist, am Vollbringen seines mörderischen Vorhabens zu verhindern scheint, ist seine Freundin, die einzig mit ihrer lachenden Stimme präsent ist. Muss er ihr beweisen, dass es ihm mit

seiner Tat wirklich ernst ist? Oder ist nicht die Liebe zu ihr oder vielleicht auch nur die Erinnerung an sie Grund genug, diese Tat, der so viele (liebenswerte) Unbeteiligte zum Opfer fallen würden, nicht zu vollbringen? Schliesslich ist auch er bei allem absoluten Anspruch ein Mensch mit all seinen Schwächen,

der vielleicht über seine Biografie erfahren wir ja fast gar nichts bei all dem nur ein einziges Mal für eine kurze Zeit im Mittelpunkt stehen, ein Star sein möchte. Und wenn sich Daniel Rohr singend (Musik: Jörg Köppl) bewährtermassen als solcher profiliert, gewinnt das gelegentlich etwas diskursive Geschehen

vollends die notwendige theatralische Lebendigkeit. Aber auch das ist nicht unbedingt blosse Showeinlage, sondern vielmehr Ausdruck eines veränderten Bewusstseins, welches aus dem gescheiterten Bemühen um rationale Argumentation ins Traumhaft-Visionäre entschwebt wie auch die Sprache sich im Phantastisch-Surrealen verliert. Gerade hier wird ein Thema, das sich von vornherein dem Theater zu entziehen scheint, ihm adäquat: Die komplexe politische Analyse ist nicht seine Sache wohl aber die bühnenwirksame Einsicht, dass diese Analyse letztlich immer an die Unberechenbarkeit des Individuums zurückgebunden bleibt... " 

 

KURZINHALT

Der Selbstmörder Werner Mittgross hat sich ins Theater geschleust und bedroht das Publikum mit einer Ladung TNT, die er an seinen Körper gebunden hat. Er heisst jetzt „gaddafi, ali, mustafa, hassan, mehmet, adnan, kemal tayfun ... kalaschnikow-mohammed. call me: the massacre.“ Für ihn zählt nur noch der Tod, die Kunst und die Liebe zu Susanne. In seinem trancehaften Monolog verirrt er sich in die Sphäre der islamischen Terror- und Fundamentalistenwelt, aus deren Geschlossenheit es kein Entrinnen mehr gibt. Werner Mittgross ist der letzte Mohikaner in einer Welt, in der nur noch die Prärie des Geldes herrscht und die die grossen Erzählungen verloren hat. 

   

„Um uns aufzuwecken, das heisst, um wieder Fühlung mit der Wirklichkeit und dem Leben zu erlangen, ist ein ausserordentlicher, grober Stoss nötig, die Enthüllung eines unheilbaren Leidens, der Verlust eines über alles geliebten Menschen, eine furchtbare Katastrophe, der Tod all unser Illusionen, kurz, ein Stoss, der uns zu uns oder vielmehr zum Menschen zurückruft und jählings die Rinde des Oberflächendaseins zerreisst, das wir in aller Gemächlichkeit führen. Denn der scheinbare Mensch, der wir sind lebt, auf dem wirklichen Menschen wie eine Fliege auf einem Schädel.“

(Maurice Maeterlinck)

Fotogalerie

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